Ein besonderer Einsatz für die Bäume in Limburg
Daniel Koch hat sich in der mächtigen Eiche von oben an weit auskragende Äste abgeseilt. Jetzt liegt er fast waagrecht in der Luft und schneidet mit seiner Handsäge trockenes Holz heraus sägt. Sein Kollege Christian Karnstedt ist derweil noch mit dem Aufstieg beschäftigt. Ohne Leiter geht es hoch, das sieht relativ einfach aus, so als würde er am Seil hängend Luftschritte übernehmen. Das ist aber nicht der Fall. Mit jedem Schritt geht es dank der Seiltechnik ein Stück höher. „Das ist ganz schön anstrengend, der Körper muss dabei komplett gestreckt bleiben“, sagt Karnstedt.
Beide sind Mitarbeiter der Stadtgärtnerei. Daniel Koch hat eine Ausbildung zum Forstwirt absolviert, Christian Karnstedt ist gelernter Gärtner in der Fachrichtung Garten- und Landschaftsbau. Matthias Beul als Leiter der Stadtgärtnerei setzt sie in der Baumpflege ein, zumal Karnstedt auch eine Zusatzausbildung zum Baumkontrolleur gemacht hat. Das Duo übernimmt die Aufgaben der Baumpflege mit Hilfe der Seilklettertechnik. Dazu haben sie eine mehrtägige Ausbildung mit schriftlicher und praktischer Prüfung absolviert.
Lebenszeit verlängern
Baumpflege geht natürlich auch mit Hilfe von Hubarbeitsbühnen, aber die können nicht überall hinfahren und selbst da, wo die Bühnen aufgestellt werden, bleiben manche Bereiche in den Bäumen für sie unerreichbar. Das ist dann das Arbeitsgebiet von Koch und Karnstedt. Natürlich ist es für beide ein besonderer Reiz, durch die Kronen zu klettern und so ihrem Arbeitsauftrag nachzukommen. „Es ist aber auch eine Weiterentwicklung in meinem beruflichen Tun, sich mit neuen und aktuellen Arbeitsverfahren auseinander zu setzen“, macht Karnstedt deutlich. Und sein Kollege Daniel Koch ergänzt, dass es letztlich Ziel des beruflichen Einsatzes ist, die Lebenszeit der Bäume zu verlängern. Und manchmal gibt es dann auch Begegnungen der lustigen Art mit Bewohnern der Bäume.
Übung und Erfahrung spielen natürlich eine wichtige Rolle bei dieser Art der Baumpflege. Da sind beide noch Lernende. Derzeit kommt für sie auch der Einsatz von Motorsägen im Seil noch nicht infrage, da müssen zunächst noch ein paar Stunden Erfahrung gesammelt werden. „Das wird dann die Arbeit erleichtern, alles mit der Handsäge zu entfernen ist doch recht anstrengend“, erklärt Daniel Koch.
Gutes Verstehen
„Es ist eine günstige Voraussetzung, dass wir uns gut verstehen“, sagt Karnstaedt über die Art der Zusammenarbeit. Das beginnt schon bei der Erkundung des Baums von unten, die Einschätzung und Eingrenzung von Risiken, das Erkunden der Wege durch die Krone oder mehr. Durch das gemeinsame und aufmerksame Arbeiten verbessert sich auch das Seilmanagement. Das ist gar nicht so einfach, die verschiedenen Seile und Sicherungen stets an den richtigen Stellen einzusetzen.„Wir sind flexibel und zügig in den Baumkronen unterwegs und kommen dabei ohne den Einsatz von großen Maschinen aus“, sagt Koch über die Vorteile der Seilarbeit. „Und wir kommen in Baumbereiche, die ansonsten nicht zu erreichen sind“, ergänzt Karnstaedt. Allerdings ist dieses Arbeitsverfahren auch an eine entsprechende Witterung gebunden. Bei Gewitter, starkem Wind, Frost und Nässe ist ein Einsatz mit Seilkettertechnik nicht möglich, auch wenn die Stabilität im Baum nicht mehr gegeben ist, scheidet sie aus.
Dass die Stadtgärtnerei auf ein im Baum kletterndes Team zurückgreifen kann, ist neu. Die Zusatzausbildung haben Koch und Karnstedt aus eigener Tasche gezahlt, bei ihrem Arbeitgeber sammeln sie nun notwendige Kletterstunden. „Uns kommt das derzeit besonders zugute, da wir aufgrund der Corona-Pandemie die Teams möglichst klein und von ihrer Zusammensetzung stabil halten möchten“, sagt Matthias Beul. Derzeit gibt es in der Baumpflegegruppe zwei Teams. Koch und Karnstedt mit Klettertechnik und ein Team mit der Hubarbeitsbühne.
Ohne Baumpflege geht es nicht
„Gerade bei sehr dichten Kronen oder bei sehr schwer zugänglichen Bereichen bietet sich die Seilklettertechnik an“, macht der Leiter der Stadtgärtnerei deutlich. „Bei Bäumen, die in besiedelten Bereichen stehen, geht es ohne Baumpflege nicht“, sagt Beul. Der Straßenrand, der Parkplatz oder andere Standorte in der Stadt sind alles andere als ein natürliches Lebensumfeld. Verdichteter Boden, Streusalz, Hundeurin, Anfahrschäden und mehr setzen den Bäumen zu. Es kommt daher häufiger zu Totholz in den Kronen, das wiederum eine Gefahr für Menschen darstellt. In der Natur bildet Totholz Lebensraum für Tiere und wenn es herunter fällt, setzt eine biologische Verwertung ein. Im besiedelten Raum geht das alles nicht, da hat die Verkehrssicherheit eine höhere Priorität.
Im Baumkataster der Stadt sind aktuell 10.079 Bäume aufgeführt. Sei weisen verschiedene Altersstufen auf und benötigen auch einen unterschiedlichen Pflegeaufwand. Was und wie gepflegt wird, das wird durch die jährliche Baumkontrolle und den Standort festgelegt. Stehen die Bäume zum Beispiel an Kindergärten oder Spielplätzen, wird halbjährlich kontrolliert und sind festgestellte Gefahren umgehend zu beseitigen. Je weiter die Bäume in einer Grünanlage oder in der freien Feldflur stehen, desto mehr Zeit bleibt bei der Umsetzung von Pflegemaßnahmen.