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Archivalie der Woche 297 - Personalakte Joseph Schneider

Vor wenigen Tagen jährte sich das Kriegsende für Limburg zum 80. Mal. Am 25. März 1945 erlebte die Stadt den letzten und schwersten Luftangriff, am 26. März rückten amerikanische Truppen in Limburg ein. Sie stießen auf Widerstand, so dass es noch bis zum 27. März zu Kämpfen mit zahlreichen Toten auf beiden Seiten kam. Auch wurden noch viele Zivilisten zu Opfern.
Mit Einnahme der Stadt sahen sich die Amerikaner vor der Herausforderung, eine neue Verwaltung zu installieren. Dabei wurde wie an anderen Orten auf unbelastete Kräfte zurückgegriffen. In Limburg war dies der Büroleitende Beamte Joseph Schneider. Er wurde schon am 28. März 1945 zum Nachfolger des NS-Bürgermeisters Willi Hollenders eingesetzt, der kurz zuvor nach Süddeutschland geflüchtet war (und sich damit nach Nazi-Definition der Fahnenflucht schuldig gemacht hatte).
Joseph Schneider, 1890 in der Eifel geboren, stand seit 1921 in Limburger Diensten. Als 1933 Bürgermeister Dr. Markus Krüsmann aus dem Amt gejagt und erst Dr. Friedrich Eichhorn und dann Willi Hollenders das Amt übernahmen, änderte sich für Schneider nichts, obwohl er seit 1929 der Zentrumspartei angehörte. Joseph Schneider trat nicht der NSDAP bei, war aber von 1933 bis 1934 förderndes Mitglied der SA und von 1934 bis 1939 der SS. Seit 1933 gehörte er dem Reichsluftschutzbund, dem Reichsbund der deutschen Beamten und seit 1934 der Nationalsozialistischen Volkswohlfahrt an. Ab 1937 war er Mitglied im NS-Reichskriegerbund und dem Reichskolonialbund. Trotz dieser Zugehörigkeiten galt er 1945 als unbelastet und als Verwaltungsfachmann qualifiziert für das Bürgermeisteramt. Alle diese Angaben entstammen seiner Personalakte, die sich seit 2011 im Stadtarchiv befindet (Signatur: StALM II/1614).
Im Schreiben, mit dem Schneider ins Amt berufen wurde, legte die Militärregierung fest, dass der neue Bürgermeister sich mit allen ihren Erlassen vertraut zu machen habe, insbesondere in Bezug auf Aufrechterhaltung von Recht und Ordnung, Ausmerzung des Nationalsozialismus und Ungleichbehandlung aus rassischen, religiösen oder politischen Gründen. Zu den weiteren Aufgaben zählte auch der Schutz aller öffentlichen Archive und Urkunden.
Joseph Schneider war zunächst „kommissarischer Bürgermeister“, ab August 1945 dann „Bürgermeister“.
Am 21. Dezember 1945 trat die groß-hessische Gemeindeordnung in Kraft, auf deren Grundlage am 27. Januar 1946 die Gemeindevertretung gewählt wurde. Diese bestätigte am 21. März 1946 Joseph Schneider einstimmig im Amt. Auch 1948 wurde er einstimmig zum Bürgermeister gewählt, diesmal für eine Amtszeit von sechs Jahren. Als diese 1954 endete, erhielt der inzwischen 63-jährige wieder alle Stimmen der Gemeindevertreter, so dass er bis 1960 Bürgermeister blieb. Kurz vor seinem 70. Geburtstag schied Schneider aus dem Amt. Die Stadtverordnetenversammlung ernannte ihn zu diesem Anlass zum Ehrenbürger. Seinen Lebensabend verbrachte Joseph Schneider in Limburg und starb 1974. Seit einigen Jahren erinnert eine Straße an den ersten Limburger Nachkriegsbürgermeister.
30.03.2025 

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