Archivalie der Woche 288 - Meldekarten des Ehepaares Goldschmidt
Jahrzehntelang waren sie angesehene Bürger und Geschäftsleute in Limburg, dann fielen sie dem Wahn der Nazis zum Opfer: Hermann und Jacobine Goldschmidt. Anlässlich des Holocaust-Gedenktages stellen wir ihr Schicksal vor anhand ihrer Karten in der Einwohnermeldekartei.
Jacobine Goldschmidt wurde als Jacobine Simon 1873 in Saffig im Kreis Mayen (heute: Mayen-Koblenz) geboren, ihr Ehemann Hermann Goldschmidt 1872 in Unterreichenbach, inzwischen Teil der Gemeinde Birstein, im Kreis Gelnhausen (heute: Main-Kinzig-Kreis). Auf den Karten sind die zusätzlichen „jüdischen“ Namen Sara und Israel nachgetragen, zu deren Führung Juden in Deutschland seit 1938 mit der „Zweiten Verordnung zur Durchführung des Gesetzes über die Änderung von Familiennamen und Vornamen“ gezwungen wurden.
Seit dem 1. März 1901 wohnten sie im Haus Bahnhofstraße 1, wo sie eine Filiale der Textilfirma Gebrüder Simon, die von Jacobine Goldschmidts Familie betrieben wurde, eröffneten. Sie wohnten dort bis 1929, zogen dann für vier Jahre in die Marktstraße (heute Ste.-Foy-Straße) und dann wieder zurück in die Bahnhofstraße ins Haus an der Ecke zur Fleischgasse. Dass sie im August 1938 an die Schiede umziehen mussten, war der Tatsache geschuldet, dass sie zum Verkauf ihres Hauses gezwungen wurden. Paul Widner übernahm es und betrieb dort in den folgenden Jahrzehnten ein Geschäft. Im März 1939 mussten sie nach Frankfurt übersiedeln – auch dies nicht freiwillig.
Mit dem Verkauf ihres Geschäfts wurde das Vermögen des Ehepaares Goldschmidt unter staatliche Aufsicht gestellt, da die „Gefahr der Auswanderung“ bestand, wie in der Akte des Finanzamtes nachzulesen ist. Künftig mussten sie Anträge stellen, um an ihr eigenes Geld zu kommen. Erschwerend kam hinzu, dass Jacobine Goldschmidt schwer erkrankte und so höhere Ausgaben für Behandlung und Medizin anfielen.
Anfang September 1942 erhielten Hermann und Jacobine Goldschmidt die Aufforderung, sich am Bahnhof einzufinden „zur Evakuierung in den Osten“. Jacobine Goldschmidt entschied daraufhin, sich nicht weiter quälen zu lassen und nahm sich das Leben. Hermann Goldschmidt wurde nach Theresienstadt deportiert, wo er im März 1943 ermordet wurde. Auf seiner Devisenakte war bereits im Oktober 1942 vermerkt worden: „Wegen Evakuierung Erledigung der Sicherungsanordnung“.
An das Ehepaar Goldschmidt erinnern Stolpersteine vor dem Haus Bahnhofstraße 12. Daneben befindet sich ein Stolperstein für ihre Nichte Liane Moses, die sie nach der Flucht ihrer Mutter in die Niederlande in ihr Haus aufgenommen hatten. Liane durfte 1939 in die Niederlande ausreisen. Sie und ihre Mutter Margarete Moses wurden 1943 in Sobibor ermordet, ihr älterer Bruder Werner 1942 in Auschwitz.