Hinschauen statt wegschauen: Stadt Limburg erhält Siegel für Gewaltpräventionsprogramm
Alina Eden, Fabienne Müller von der Stadt Limburg und Mariana Wüst von der Polizei Limburg sind sogenannte Multiplikatoren für das Netzwerk gegen Gewalt. Gewalt-Sehen-Helfen ist die Devise des Gewaltpräventionsprogramms für hessische Kommunen und Landkreise.
„Als Kompass-Kommune war das Interesse an dem Programm ergänzend zu den bereits getroffenen Präventivmaßnahmen des zehn Punkte Plans vorhanden. Corona hat uns dann leider ausgebremst. Umso mehr freut es mich, dass wir nun dem Programm beigetreten sind und etwas anbieten können, an dem der Bürger selbst partizipieren kann“, erklärt Michael Stanke, 1. Stadtrat.
Im Mittelpunkt des Programms stehen Seminare, die unter Leitung von Alina, Fabienne und Mariana im kommenden Jahr für Limburger Bürgerinnen und Bürger kostenfrei angeboten werden.
Auch der Hessische Innenminister Prof. Dr. Roman Poseck sieht das Programm als weiteren Akzent, um Limburg im Interesse der Allgemeinheit sicherer zu machen: „Sicherheit ist ein Grundbedürfnis der Menschen. Angst und Sorge führen dazu, dass die Menschen sich zurückziehen. Das kann nicht nur von einer Seite geleistet werden, sondern Sicherheit geht alle an.“
Er sehe Limburg beim Thema Sicherheit auf einem guten Weg, es sei jedoch auch ein langer Atem erforderlich, so Poseck. Er hebt die effektive Zusammenarbeit und Arbeit der Landespolizei und der Stadtpolizei hervor. Das sei der richtige Weg. Das Programm „Gewalt-Sehen-Helfen“ bezieht die Bürgerinnen und Bürger aktiv mit ein. Es beruht darauf, dass die Menschen hinschauen, Zivilcourage zeigen und ihren Mitmenschen zur Seite stehen. Wie Poseck erwähnt, zählte er vor rund 20 Jahren als Mitarbeiter im Justizministerium zu den Gründungsmitgliedern des Netzwerks gegen Gewalt. Das sei mittlerweile etabliert und mit vielen Programmen zur Gewaltprävention erfolgreich, da es einen ressortübergreifenden Ansatz verfolgt.
„Wir wollen den Teilnehmenden Möglichkeiten aufzeigen, wie sie Opfer von Gewalt erkennen und ohne sich selbst in Gefahr zu bringen deeskalierend gegenwirken können“, erklären die Multiplikatoren ihre im kommenden Jahr angedachten Seminare.
Dabei greifen sie auf Rollenspiele und Übungen mit den Teilnehmenden zurück, wie beispielweise das Gewaltbarometer. Dabei wird von den Multiplikatoren ein Szenario beschrieben: Ein Erziehungsberechtigter reißt das eigene Kind vor einem Auto von der Straße und tut ihm dabei weh. Anschließend werden im Raum Kärtchen mit einer Skala von 0 (keine Gewalt) bis 10 (Gewalt) verteilt. Die Teilnehmenden sollen sich nun positionieren. Nach der Übung kann auf freiwilliger Basis darüber gesprochen werden, warum sich die einzelnen Teilnehmenden für den jeweiligen Standpunkt entschieden haben.
Bei den unterschiedlichen Rollenspielen begeben sich nur die Multiplikatoren in die Rolle der Täter, wobei keine physische Gewalt angewendet wird, sondern lediglich Situationen aus dem täglichen Leben nachgestellt werden.
Ziel der Seminare ist es, einen Perspektivwechsel in einer Situation vorzunehmen vom Täter „Hat er das mit Absicht gemacht?“ hin zum Opfer „Hat ihm das wehgetan? oder „Würde ich diese Situation als bedrohlich empfinden?“. Dies soll zu einer besseren Einschätzung führen, ob ein Beteiligter Hilfe oder Unterstützung benötigt. Wie diese aussehen kann, ohne dass ein Beobachter einer Situation sich selbst in Gefahr bringt, wird ebenfalls im Seminar deutlich.
Bürgermeister Dr. Marius Hahn begrüßt das Programm und verdeutlicht: „In der heutigen Zeit hat jeder ein Handy und kann die 110 anrufen. Dort sitzen geschulte Polizisten, die eine Situation einschätzen können. Helfen Sie mit, dass Opfer von Gewalt Hilfe bekommen. Statt Videoaufnahmen von Gewalttaten wie bei der Ermordung (Femizid) einer Frau durch ihren Ehemann in der Weiersteinstraße im Jahr 2019 zu machen, rufen Sie aus sicherer Entfernung Hilfe. Schauen Sie nicht weg!“
Termine für das Seminar werden im kommenden Jahr bekannt gegeben. Limburger Bürgerinnen und Bürger können bereits per E-Mail an gsh@stadt.limburg.de ihr Interesse an einer Teilnahme bekunden.
Das Programm „Gewalt-Sehen-Helfen“ wurde 1997 als eine Kampagne der Stadt Frankfurt ins Leben gerufen. Schon damals war das Ziel, die Kultur des Wegsehens in Konflikt- und Gewaltsituationen zu einer Kultur des Hinsehens, des Helfens und der Zivilcourage zu wandeln. Seit 2005 ist das Programm Teil des „Netzwerkes gegen Gewalt“ der Hessischen Landesregierung.