Archivalie der Woche 257
Kontrolle des Rechnungsjahres 1937 in Dietkirchen
Auf den ersten Blick eine trockene Materie – auf den zweiten ein spannendes Auskunftsregister zur Geschichte der Gemeinde und ihres Alltags: Finanzunterlagen. Die heutige Archivalie der Woche ist das „Kontrollbuch über die im Rechnungsjahr 1937 der Gemeindekasse in Dietkirchen angewiesenen Einnahmen und Ausgaben“ (Signatur: StALM IV/388). Auf den beiden ersten Seiten geht es um die allgemeine Verwaltung. Demnach erhielt Bürgermeister Lubentius Schuld (amtierte von 1930 bis 1945) ein Honorar von 991 Reichsmark und 45 Pfennigen. Der ihm zur Seite stehende Gemeinderechner Anton Mais wurde mit 644,50 Reichsmark entschädigt. Gemeindediener Heinrich Langrock erhielt 365 Reichsmark. Die Telefongebühren beliefen sich zwischen 7,70 RM im November und 16 RM im August. Dem standen diverse Einnahmen gegenüber, unter anderem Strafgelder. So mussten mehrere Bürger 2,20 RM Strafe wegen nicht geeichter Waage zahlen, ein Kaufmann sogar 5,20 RM. Gleich zweimal wurde jemand zur Kasse gebeten mit je 3,20 RM, weil er seine Hühner herumlaufen ließ. Hinzu kamen Erstattungen von Telefongesprächen und Verwaltungsgebühren.
1937 wurde eine Leiche aus der Lahn gezogen. Dafür zahlte die Gemeinde an Heinrich Wahl in Limburg 20 RM.
Dass die Gemeinde keine eigene landwirtschaftliche Fortbildungsschule unterhielt, sondern die in Limburg und Oberweyer in Anspruch nahm, geht auch aus der Kostenaufstellung hervor. An Oberweyer wurden 58,83 RM gezahlt, an Limburg 105 RM.
Besonders interessant sind die Ausgaben unter der Rubrik Wohlfahrtswesen. Hier werden diverse Personen genannt. Es kann lohnend sein zu untersuchen, aus welchem Grund sie unterstützt wurden. Falls es sich in einigen Fällen um geistig beeinträchtigte oder psychisch kranke Menschen handelte, fielen sie möglicherweise unter die unmenschliche „Gesetzgebung“ der Nationalsozialisten und wurden so zum Opfer des Unrechtsstaates. Das ist aber zunächst nur Spekulation und kann erst nach eingehenden Nachforschungen sicher festgestellt oder zurückgewiesen werden.
Auch über die Landwirtschaft ist aus den Aufstellungen etwas zu erfahren. So wurden zahlten „Willi Kremer und Genossen“ 580,50 RM an Sprunggeldern für Rindvieh, „Wolf Karl und Genossen“ 542,80 RM für Ziegen. Wilhelm Fliegel erhielt 920 RM für die Haltung eines Zuchtbullen, Wilhelm Schuy 360 für einen Ziegenbock.
Für den Jahrmarkt wurde ein Zelt ausgeliehen, wofür 262,50 RM zu Buche schlugen. Weitere Kosten fielen für Arbeitskräfte an. Dagegen standen Einnahmen in Höhe von 60 RM an Lustbarkeitssteuern und 75 RM an weiteren Gebühren.
23.06.2024