Jüdische Lokalgeschichte selbst rekonstruieren
Er war der letzte Hausmeister der Limburger Synagoge: Max Rosenthal. Im November 1938 erlebte er die Reichspogromnacht mit. Dabei entkam er dem Brand in der Synagoge und der Bedrohung durch die SA-Männer nur durch einen Sprung aus dem Fenster im zweiten Stock. Max Rosenthal schaffte es nicht zu emigrieren; er wurde 1942 von Frankreich aus deportiert und in Auschwitz ermordet. Seiner Familie gelang die Flucht in die USA.
Schicksale wie diese waren Thema des eintägigen Workshops der Gesellschaft für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit Limburg, der Jugendfreizeitstätte Limburg und der Stadtjugendpflege Limburg. 22 Menschen aus Limburg und Umgebung nahmen an dem fünfstündigen Workshop mit dem Titel "Der Abschied von Mensfelden ist uns nicht schwer gefallen. Die Verfolgung von Jüdinnen und Juden in Limburg und Umgebung 1930 - 1943" teil. Der Raum der Jugendfreizeitstätte war bis auf den letzten Platz besetzt. Es war eine bunte Mischung aus Frauen und Männern jeden Alters, die ganz unterschiedliche Bezüge zum Thema und auch einen unterschiedlichen Informationstand hatten.
Workshop-Leiter war Markus Streb. Er forscht seit Jahren ehrenamtlich zur Geschichte der Jüdinnen und Juden in Limburg und im heutigen Hünfelden. Er ist Mitbegründer des dortigen Arbeitskreises „Spuren jüdischen Lebens in Hünfelden“ und kooperiert seit Jahren mit zahlreichen Schulen im Kreis Limburg-Weilburg. Derzeit ist der aus Mensfelden stammende Streb an der Universität Gießen tätig.
In einer Gruppenarbeit erarbeiteten die Teilnehmer die historischen Zusammenhänge
Streb stieg mit einem kurzen Überblick über die Verfolgung jüdischer Mitbürgerinnen und Mitbürger in Limburg und Umgebung, besonders in der NS-Zeit, in das Thema ein und stellte den Stand der Forschung dar. In einer Gruppenarbeit näherten sich die Workshopteilnehmer dem Thema an und erarbeiteten die historischen Zusammenhänge.
Das Schicksal der Familie Rosenthal wurde durch ein Interview von Max Rosenthals Sohn Ernst deutlich. 2005 nahm dies der damals 74-Jährige auf. Während der NS-Zeit gelang ihm mit seiner Mutter die Flucht in die USA.
Das Leben der Familie des Viehhändlers Josef Stern
Auch das Leben der Familie des Viehhändlers Josef Stern wurde beleuchtet. Stern wurde in Oberbrechen geboren und wohnte später mit seiner Frau Elisabeth, genannt Betty, in Mensfelden. Ihr Sohn Walter wanderte nach Palästina aus und lebte in Haifa. In einem Brief schrieben Josef und Betty über den Zerfall der jüdischen Gemeinden in der Region und über Auswanderungspläne von Verwandten und Freunde. In diesem Brief findet sich auch der Satz aus dem Titel des Workshops: "Der Abschied von Mensfelden ist uns nicht schwer gefallen."
Markus Streb führte die Workshop-Teilnehmer an Einzelschicksale wie diese heran und zeigte dadurch ein Zeitbild der Region auf, das geprägt war von der furchtbaren Härte der Judenverfolgung und einer großen Not in den jüdischen Familien.
Den Abschluss des Workshops bildete ein gemeinsamer Spaziergang zum Limburger Neumarkt, an dem das Geschäft der Familie Löwenberg lag (heute Vohl & Meyer) und das „Kaufhaus Geschwister Mayer“, geführt von Familie Putziger (heute Intersport).
Weitere Fragen zu diesem Thema beantworten Markus Streb unter Markus.Streb@gmx.net oder Christian Spiegelberg unter christian.spiegelberg@stadt.limburg.de oder telefonisch unter 06431 203-452.