Archivalie der Woche 247
Flüchtlings- und Vertriebenenausweise
Zu allen Zeiten mussten Menschen unfreiwillig ihre Heimat verlassen, teils aus eigener Initiative, weil ihnen die Lebensgrundlagen fehlten, teils weil sie von den Herrschenden vertrieben wurden. Dies war für Millionen Deutscher in Osteuropa nach dem 2. Weltkrieg traurige Realität. Sie in die bundesdeutsche Gesellschaft zu integrieren war eine der großen Herausforderungen der jungen Bundesrepublik.
Die heutige Archivalie der Woche ist eine Akte der Gemeinde Offheim betreffend Flüchtlings- und Vertriebenenausweise (Signatur: StALM X/383). Sie setzt 1954 ein mit einem Rundschreiben der Kreisverwaltung an die Kommunen zur Einziehung der alten Ausweise und Ausstellung neuer. In der Akte befindet sich ein Antrag einer jungen Frau, der offenbar nicht an die übergeordnete Stelle weitergereicht wurde. Neben den persönlichen Angaben (Name, Geburtsdatum und -ort, Konfession, Beruf und Wohnort) waren auch Angaben zum Personalausweis zu machen, zur Staatsangehörigkeit am 31. Dezember 1937 und am 8. Mai 1945, zu Schulbesuch, Zeitpunkt der Flucht oder Vertreibung, Zeitpunkt des Bezuges der Wohnung. In einem zweiten Teil wurden nochmals die persönlichen Daten abgefragt und es waren Angaben zum Lebensunterhalt zu machen. Es war mitzuteilen, welchen Wohnsitz man zum Zeitpunkt der Vertreibung hatte, ob man diesen nach dem 1. September 1939 genommen hatte, ob man nach dem 30. Januar 1933 wegen nationalsozialistischer Verfolgungsmaßnahmen die Vertreibungsgebiete verlassen hat und schließlich, ob man im Bereich der sowjetischen Besatzungszone gelebt hat.
Die Akte enthält weitere Schreiben des Kreisausschusses an den Bürgermeister, aus denen hervor geht, dass 1954 in Offheim Flüchtlingsausweise an 113 Personen neu ausgegeben wurden, was zu diesem Zeitpunkt mehr als 10 Prozent der Dorfbewohner waren.
14.04.2024