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Archivalie der Woche 209

Städtische Volksbücherei

Mit Beginn des Monats ging die Dombibliothek in die alleinige Trägerschaft der Stadt Limburg über. Damit setzt sich eine lange Tradition fort. Schon im Mittelalter gehörte zu einem Stift, so wie in Limburg, ganz selbstverständlich eine Bibliothek. Allerdings darf man sich den Buchbestand nicht zu umfangreich vorstellen. Erst im Laufe der Zeit nahm die Zahl der vorhandenen Bücher zu. Natürlich spielte dabei die Erfindung des Buchdrucks eine herausragende Rolle.

Im ersten Drittel des 20. Jahrhunderts war die Borromäusbibliothek in kirchlicher Trägerschaft die öffentliche Bücherei Limburgs. Beim Brand des Schlosses fiel der Bestand aber größtenteils den Flammen zum Opfer. Glück im Unglück: die Bibliothek war versichert, so dass Bücher neu angeschafft und der Ausleihbetrieb wieder aufgenommen werden konnte. Untergebracht war die Bibliothek nach der Zerstörung des Schlosses zunächst im Kolpinghaus und dann im St. Georgshof.

Ausrichtung der Bibliothek und die Trägerschaft war den Nationalsozialisten ein Dorn im Auge. So wollten sie dem eine „Volksbücherei“ entgegensetzen. Im Mai 1939 erhielt Bürgermeister Willi Hollenders ein Schreiben der Staatlichen Volksbüchereistelle im Regierungsbezirk Wiesbaden, dass sich in der heutigen Archivalie der Woche, der „General- und Spezialakte betreffend die städtische Volksbücherei Limburg/Lahn“ (Signatur: StALM II/971), findet. Der Leiter der Volksbüchereistelle schrieb u.a.: „In meinem letzten Schreiben wies ich bereits auf die besondere Bedeutung dieser weltanschaulich so wichtigen Einrichtung inmitten dieses Kirchenzentrums hin …“

Auch der Kriegsbeginn änderte nichts an den Bemühungen, eine städtische Bücherei einzurichten, zumal die Stadt 1941 den St. Georgshof gekauft und die Borromäus-Bibliothek damit zunächst die Weiterarbeit unmöglich gemacht hatte. Büchereien waren zu diesem Zeitpunkt als kriegswichtig eingestuft.

Anfang 1942 legte die Volksbüchereistelle der Stadt eine Vorschlagsliste mit anzuschaffender Literatur vor. Allein vier Seiten umfasste die Literatur zum 1. Weltkrieg, vor allem Erlebnisberichte. Mit „Politisches Rüstzeug“ waren zwei Seiten überschrieben, auf denen ganz oben Hitlers „Mein Kampf“ stand. Es folgten u.a. die Bücher von Propagandaminister Joseph Goebbels, dem Parteiideologen Alfred Rosenberg oder Bildbände von Hitlers Leibfotografen Heinrich Hoffmann. Auch das „Handbuch zur Judenfrage“, die „Rassehygienische Fibel“ oder „Rassenkunde des deutschen Volkes“ fehlen nicht. Am umfangreichsten ist die Liste belletristischer Literatur mit bekannten Autoren, die bis heute gelesen werden (z.B. Hans Carossa, Matthias Claudius, Annette von Droste-Hülshoff, Theodor Fontane, Johann Wolfgang von Goethe, Knut Hamsun, Selma Lagerlöf, Peter Rosegger, Adalbert Stifter, Ludwig Thoma) und heute weniger bekannten, die aber in dieser Zeit populär waren (z.B. Edwin Erich Dwinger). Auch frisch erschienene Kriegsliteratur war aufgeführt sowie eine Liste zum Thema „Fahrten und Forschungen“. Später wurden weitere Listen erstellt, doch geht aus der Akte nicht hervor, welche Werke tatsächlich angeschafft wurden.  

1944 wurde in den Limburger Schulen ein Lehrer gesucht, der nebenamtlich die Leitung der Bücherei übernehmen sollte, was sich allerdings als schwierig erwies.

Noch am 6. März 1945, 20 Tage bevor US-Truppen Limburg erreichten, teilte Bürgermeister Willi Hollenders dem Landrat mit, dass die Vorarbeiten zur Eröffnung der Volksbücherei bis auf die Herstellung eines Bücherkatalogs abgeschlossen seien.

Auch nach Kriegsende wurde das Ziel weiterverfolgt. Es fanden sich ab 1948 nacheinander mehrere Frauen, die bereit waren, die Betreuung der Bücherei zu übernehmen und dafür eine kleine finanzielle Entschädigung erhielten. Die Akte endet 1958 mit dem Vermerk, dass die bisherige Betreuerin Hanni Kilian ihre Tätigkeit aufgegeben hat und Gisela Kexel die Aufgabe übernommen habe.

02.07.2023 

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