Neue Stolpersteine erinnern an sieben weitere NS-Opfer
Mit dem Stolperstein für Martha Margo startete am Dienstag, 6. September, die Verlegung in der Hospitalstraße. Martha Margo gehörte zur großen Limburger Sternberg-Familie. Die 1893 geborene Frau heiratete 1925 den Kaufmann Leo Margo, der in Koblenz wohnte und bereits 1930 im Alter von 48 Jahren starb. In das Haus Hospitalstraße 11 zog die Witwe Martha Margo im Oktober 1936 ein, im Frühjahr 1938 verließ sie ihre Heimatstadt, lebte in Mainz, Worms und Kassel. Am 7. September 1942 wurde sie von Kassel aus mit 845 weiteren Menschen nach Theresienstadt deportiert. Am 20. Oktober 1942 wurde sie dort ermordet.
Eines von vermutlich rund 200 Schicksalen aus Limburg. Daran erinnerte Stadträtin Viaola Kaets auch vor Vertreterinnen und Vertretern der jüdischen Gemeinde Limburg-Weilburg. „Es muss auch mal gut sein! Das hören wir immer wieder, wenn es um die Verlegung von Stolpersteinen geht“, machte sie deutlich. Doch es dürfe kein „gut sein“ geben, das Schicksal der Oper des NS-Regimes gelte es immer wieder in Erinnerung zu rufen. Gerade die NSU-Morde oder auch die Vorgänge in Rostock-Lichtenhagen verdeutlichten, dass „wir als Gesellschaft aufmerksam bleiben müssen.“
Ausdrücklich dankte die Vertreterin des Magistrats der Leo-Sternberg-Schule, die die Patenschaft für die Stolperstein-Aktion in Limburg schon über einige Jahre übernommen habe. Dank sagte sie auch Martina Hartmann-Menz und der Gedenkstätte in Hadamar, die das Stadtarchiv Limburg aktiv in der Recherche der Opfer-Lebensläufe unterstütze. Auch die aktuelle Stolpersteinaktion verdeutlichte, dass keineswegs nur jüdische Bürger Opfer des NS-Regimes wurden. Aus Limburg gibt es politische Opfer, Opfer aus religiösen Gründen oder auch Opfer, die aufgrund ihrer Erkrankung oder Behinderung ermordet wurden.
Verbeugung vor den Opfern
„Mit den Stolpersteinen holen wir die Opfer wieder in die Mitte der Gesellschaft zurück. Wie müssen uns vor ihnen als Opfer verbeugen, wollen wir auf den Stolpersteinen die biografischen Daten lesen“, machte Viola Kaets auf die Symbolik der weltgrößten Gedenkstätte aufmerksam, die der Künstler Gunter Demnig geschaffen habe.
Attilio Forte als Leiter der Leo-Sternberg-Schule wies darauf hin, dass sich die Schule in Tradition ihres Namensgebers entschieden gegen Rassismus, Ausgrenzung, Fremdenfeindlichkeit und mehr wende. Mit den Stolpersteinen sei eine Form der Erinnerung gefunden worden, die auch in die Zukunft weise. Juden, Christen, Sinti und Roma, Erkrankte, Gewerkschafter, politisch Andersdenkende seien Opfer des NS-Regimes geworden, daran gelte es stetig zu erinnern.
Die Leo-Sternberg-Schule komme gerne ihrer Aufgabe als Pate der Stolpersteinaktion in Limburg nach. Derzeit werde das Projekt von Sebastian Heinrich und seiner 10. Realschulklasse betreut, deren Schülerinnen und Schüler an jedem neuen Stolpersteinort die biografischen Daten der Opfer verlasen. Die Klasse wird im neuen Schuljahr auch Spenden für die Aktion sammeln und die Messingoberfläche der Stolpersteine reinigen.
Noch keine 14 Jahre alt
Die sieben neu verlegten Stolpersteine erinnern an den letzten frei gewählten Wohnorten an vier jüdische Opfer sowie drei Opfer, die aufgrund ihrer Erkrankung ermordet wurden. Neben dem Stolperstein für Martha Margo wurden Stolpersteine für Hermann, Emmy und Hannelore Strauss in der Diezer Straße 57 sowie für Paul Jonescheit im Hahlgartenweg 2, für Adam Kind in der Eisenbahnstraße 5 und für Maria Dillmann in der Hochstraße 7 verlegt.
Die Familie Strauss wohnte in der Diezer Straße und betrieb dort ein Geschäft für Manufaktur- und Weißwaren. 1930 musste Hermann Strauß, der aus Wasenbach stammte, vermutlich bedingt durch die Wirtschaftskrise einen Offenbarungseid leisten. 1935 war die Familie genötigt, nach Koblenz umzuziehen, später nach Köln. Hermann und Emmy Strauss, geborene Rosenthal aus Thalheim, kamen in das Lager Müngersorf und 1942 nach Theresienstadt. Am 6. Oktober 1944 wurden sie mit ihrer Tochter Hannelore, die 1939 in die Niederlande geflohen war, nach Auschwitz deportiert und dort ermordet.
Maria Magdalena Dillmann, 1903 geboren, wurde 1935 im Diezer Krankenhaus zwangsweise sterilisiert. 1943 erfolgte ihre Einweisung in die Heilanstalt Weilmünster. Von dort aus wurde sie am 13. Oktober 1944 nach Hadamar in die Heilanstalt überstellt, wo sie drei Tage später ermordet wurde. Als Todesursache wurde in ihrer Sterbeurkunde „Geisteskrankheit, Verfall“ vermerkt.
Adam Kind, Jahrgang 1912, kam als Zwölfjähriger ins Landesaufnahmeheim Idstein. 1931 durfte er die Einrichtung verlassen und lebte bei seiner Mutter in der Eisenbahnstraße 5 in Limburg. Immer wieder kam er mit dem Gesetz in Konflikt. 1939 wurde er in der Heil- und Pflegeanstalt Herborn eingewiesen, am 12. März 1941 kam er nach Hadamar, wo er noch am gleichen Tag ermordet wurde. Den Angehörigen und dem Limburger Standesamt wurde mitgeteilt, dass er in der Anstalt Pirna-Sonnenschein in Sachen verstorben sei.
Vier Tage vor seinem 14. Geburtstag wurde Paul Jonescheit ermordet, der vermutlich an Trisomie 21 litt und geistig behindert war. Nach dem Tod seiner Eltern 1938 kam er als Elfjähriger in den Kalmenhof nach Idstein. Am 10. September 1941 wurde er in der sogenannten „Kinderfachabteilung“ ermordet. Die sieben älteren Geschwister erinnerten in einer Todesanzeige in der Zeitung sowie in einer Danksagung an ihren „lieben, treuen Paul“.
Spenden finanzieren die Steine
Im Jahr 2013 wurde in Limburg nach einem Beschluss der Stadtverordnetenversammlung damit begonnen, Stolpersteine zu verlegen. Finanziert wird die Verlegung durch Spenden. Ein Stolperstein kostet 120 Euro. Wer einen Beitrag zu dem Projekt leisten möchte, kann dies mit einer Überweisung auf das Konto der Stadt bei der Volksbank Rhein-Lahn-Limburg, IBAN DE 14 5709 2800 0000 7602 18 unter dem Verwendungszweck Stolpersteine tun.
Für weitere Auskünfte steht Stadtarchivar Dr. Christoph Waldecker telefonisch unter (06431) 203-368 zur Verfügung, per E-Mail an: christoph.waldecker@stadt.limburg.de.