Die gelben Rosen sind nicht von Dauer. Manchmal bleiben sie liegen, bis sie verwelkt sind. Es kommt aber auch vor, dass sie nach wenigen Stunden verschwunden sind. Die Steine, auf denen die Rosen liegen, sind von Dauer. Sie erinnern mit ihrer Messingplatte und den darauf versehenen Angaben an Frauen und Männer, die Opfer der Nationalsozialisten wurden. Am Montag kamen in Limburg 16 neue Steine hinzu, 16 Erinnerungen an einzelne Schicksale.
„Die Würde des Menschen ist unantastbar“, zitierte Bürgermeister Dr. Marius Hahn am Montag in der Erbach das Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland. In der Nähe der Lahn startete die Verlegung der 16 Steine durch den Künstler Gunter Demnig, der zum fünften Mal Stolpersteine in der Domstadt setzte. Die Würde des Menschen habe im neuen Grundgesetz ganz bewusst einen solchen Stellenwert durch Artikel 1 erhalten, da in der Zeit zuvor dieses elementare Grundrecht mit den Füßen getreten worden sei, so Hahn. Benachteiligt, erniedrigt, verschleppt, ermordet, das Regime der Nationalsozialisten habe mehr als 100 Menschen in Limburg das Leben gekostet – ohne die Opfer des Krieges.
„Wir sind stolz auf die Patenschaft“, machte Attilio Forte als Leiter der Leo-Sternberg-Schule deutlich. Von Beginn an ist die Schule mit dabei, wenn Stolperstein verlegt werden, hat Spenden gesammelt, Schülerinnen und Schüler verlesen Kurzbiografien der Frauen und Männer, an die erinnert wird. Und natürlich sucht die Schule geeignete Formen des Erinnerns. Ein Auftrag, der auch aus der heutigen Zusammensetzung der Schulgemeinde erwächst. Fremdenfeindlichkeit als Bestandteil von rechtsradikalem Denken habe dort nichts verloren.
Trawniki und Hadamar
Die Schülerinnen und Schüler lasen an den einzelnen Standorten der Steinverlegung Kurzbiografien der Frauen und Männer vor, die in den Häusern viele Jahre ihres Lebens verbrachten und dann unter Gewalt ihr Zuhause verlassen mussten. Rabbiner Zeev-Wolf Rubins sprach für sie ein Totengebet. Nicht alle, an die die Stolpersteine erinnern, wurden in den Vernichtungslagern ermordet oder starben unter Misshandlungen, einigen gelang auch die Flucht und sie fanden eine neue Heimat. Das ist zum Beispiel bei Lothar Peter, Lotte Sally und Senta Fassbender der Fall. Sie lebten in der Ste.-Foy-Straße und konnten nach England fliehen. Ihre Mutter Elise Regine wurde wahrscheinlich 1941 in Trawniki getötet, Vater Otto Fassbender war am 2. Oktober 1935 an der deutsch-französischen Grenze ums Leben gekommen.
Die Stolpersteine erinnern an Opfer der NS-Herrschaft und werden am letzten frei gewählten Wohnort verlegt. Der Limburger Stadtarchivar Dr. Christoph Waldecker hat für die bisher 85 Opfer, an die mit einem Stolperstein erinnert wird, die Lebenswege erforscht und Kurzbiografien erstellt, die im Internet unter www.stolpersteine-limburg.de zur Verfügung stehen. Unter den Opfern stellt die jüdische Bevölkerung den größten Anteil, die Stolpersteine erinnern jedoch auch an Opfer der sogenannten „Euthanasie“-Aktion. Dazu gehört auch Karl-Heinz-Grill, für den am Montag ein Stein in der Graupfortstraße verlegt wurde. Er wurde am 11. März 1941 in Hadamar ermordet. Und weil seine Mutter offen darüber versprach, nahm die Gestapo sie fest.
Finanzierung durch Spenden
Neben den bereits erwähnten Opfern erinnern die gestern verlegten Stolpersteine noch an Hedwig Goldschmidt, Elise Levi geb. Marx, Friede Heymann geb. Levi und Sally Heymann (In der Erbach 4), Olga und Robert Rosenthal (Konrad-Kurzbold-Straße 6), Dora geb Löwenberg, Albert und Kurt Rieser (Grabenstraße 19) sowie Rufine Heymann geb. Nathan in der Graupfortstraße 6.
Erfreut zeigte sich Bürgermeister Hahn gestern über den Zuwachs an Begleitung während der Verlegung. Neben Vertretern der jüdischen Gemeinde, der Gesellschaft für christlich-jüdische Zusammenarbeit und der Gedenkinitiative Limburg/Diez nahmen auch Schülerinnen und Schüler sowie Lehrkräfte der Marienschule, der Goetheschule sowie der Astrid-Lindgren-Schule und der PPC-Schule an der Verlegung teil.
85 Stolperstein erinnern in der Kernstadt sowie in Stadtteilen an die Opfer. Es werden noch weitere Steine folgen. Waldecker geht von etwa 115 Personen aus, die Opfer des NS-Regimes wurden. Darunter sind auch politisch und religiöse Verfolgte, Gewerkschaftsvertreter sowie Opfer von Krankenmorden. Die Aktion finanziert sich über Spenden. Wer sie finanziell unterstützen möchte, kann auf das Konto der Stadt Limburg bei der Volksbank Rhein-Lahn-Limburg unter dem Stichwort: Stolpersteine einzahlen (IBAN: DE14 5709 2800 0000 7602 18, BIC GENODE51DIE. Nähere Informationen gibt es von Stadtarchivar Dr. Christoph Waldecker, Tel. (06431) 203 368 oder per E-Mail: christoph.waldecker@stadt.limburg.de.