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Datum: 25.10.2019

Toleranz als unerlässliches Gut

Drei Tage lang findet der Limburger Lesedom statt. Ein ganz besonderer Gast war am Donnerstag dabei: Der ehemalige Bundespräsident Joachim Gauck. Er las aus seinem Buch "Toleranz: einfach schwer".

Die Lebensentwürfe, Wertvorstellungen, religiösen und kulturellen Hintergründe der Menschen werden immer vielfältiger. Wie man dieser Vielfalt begegnen kann, weiß der ehemalige Bundespräsident Joachim Gauck. Toleranz ist seine Antwort. Was der Begriff bedeutet und welche Grenzen er hat und wie schwierig es zuweilen sein kann, tolerant zu sein, behandelt Gauck in seinem Buch „Toleranz: einfach schwer“. Beim 17. Limburger Lesedom las er daraus und beschrieb den Begriff mit Beispielen aus seinem eigenen Leben.

Bürgermeister Dr. Marius Hahn eröffnete den 17. Limburger Lesedom und begrüßte den ehemaligen Bundespräsidenten. Für Dr. Hahn ist Toleranz ein wichtiges Gut. „Aber sie hört bei der Verletzung unseres Grundgesetzes und dem Verstoß gegen Gesetze auf, an die sich alle - unabhängig von der Herkunft - halten müssen.“

„Wer Toleranz entwickelt, demonstriert Entscheidungsfreiheit“

Zunächst blickte Gauck auf die Entstehung des Buches: Für seinen Ehrendoktor an der Universität Münster hielt er einen Vortrag zum Thema Toleranz. Später ermutigte ihn ein Verlag, daraus ein Buch zu machen. Unterstützung beim Schreiben bekam Gauck von seiner Helferin Helga Hirsch, denn er sei mehr der Redner, nicht so sehr der Schreiber, sagte er. So hielt er es auch bei seiner Lesung in der Limburger WERKStadt Lounge und las nur Beginn und Schluss seines Buches. In der übrigen Zeit erzählte er frei.

Toleranz ist für Gauck ein unerlässliches Gut für das Individuum, aber auch für die Gesellschaft. Toleranz sei nicht unbedingt ein duldendes Hinnehmen, sondern könne eine überaus aktive Haltung sein. „Wer Toleranz entwickelt, demonstriert Entscheidungsfreiheit“, sagt Gauck. Wer tolerant ist, könne das Andere aushalten und mit ihm umgehen lernen. Mit Toleranz könne man sich mit offenen Augen und offenen Sinnen dem Neuen stellen, anfängliche Angst überwinden, das eigene Denken und Handeln bestätigen oder aber entsprechend neuen Gegebenheiten auch korrigieren.

Mit vielen Beispielen machte Gauck seine Thesen deutlich

Gauck machte aber auch deutlich, dass es Grenzen für Toleranz gibt, und zwar, wenn universelle Werte wie die Würde, Unversehrtheit, Freiheit und Recht bedroht sind. Auch sprach er sich gegen falsche Toleranz aus. Damit meint er, den pauschalen Schutz für alles Diverse.

Mit vielen Beispielen machte Gauck seine Thesen deutlich. Den ein oder anderen Witz streute er dabei ein, etwa als er zu Beginn der Lesung sein Jackett ablegte, weil er sich dann wohler fühle und es seine Laune hebe, was ja auch ganz im Sinne des Publikums sei.

Gauck wurde in Rostock geboren und wuchs in der ehemaligen DDR und zur Zeit des Sozialismus auf. Toleranz lernte er nicht in der Schule, sondern zu Hause: „Toleranz ist einfach, wenn man von Kind auf eingeführt wird.“

Andere Kulturen über das Essen kennenlernen

1990 wurde er für die Partei Bündnis90/Die Grünen in die zum ersten Mal frei gewählte Volkskammer gewählt und kam nach Berlin. Zwei Erlebnisse haben ihn dabei geprägt. Das erste war das Essen: In einem Restaurant lernte er die Gerichte und die Mentalität der Italiener kennen und lieben. „Es dauert, bis man sich an Fremdes gewöhnt. Beim Essen ist es noch am einfachsten“, sagt Gauck.

Sein zweites Erlebnis waren die anderen Parteien in der Volkskammer. Dort traf er auf die Sozialisten der DDR, die sich dort Partei des Demokratischen Sozialismus nannten (heute Die Linken). Seinen Umgang damit beschreibt Gauck so: „Ich brauche sie nicht, aber sie sind ein Teil des demokratischen Gemeinwesens. Ich mag sie nicht, aber ich achte sie.“

Auch von einem Besuch in seiner Heimat Rostock erzählte Gauck. Eine Frau fragte ihn, ob er auch Angst vor den Muslimen habe. Er wollte wissen, warum genau die Frau Angst habe. Sie konnte von keinen negativen Erfahrungen mit Muslimen berichten und verwies auf Medienberichte. „Wir sollten immer danach schauen, ob die Angst, die wir haben auch den Fakten entspricht“, sagte Gauck. Furcht sei zwar menschlich, aber es sei auch menschlich, nicht jeder Furcht zu folgen, sagte Gauck.

Für seine Worte erhielt er Standing Ovations (zu deutsch: stehender Applaus) vom Publikum.

Lesedom

Der dritte und letzte Tag des Lesedoms ist am Samstag, 26. Oktober. Das Publikum darf sich auf drei Lesungen freuen. Um 11 Uhr eröffnet der Limburger Autoren Horst Christian Bracht den Reigen. Er liest aus „Die Schandrose“. Um 17:30 Uhr wird Dieter Bednatz mit seinem Buch „Zu jung für alt: Vom Aufbruch in die Freiheit nach dem Arbeitsleben“ begeistern und um 19:30 Uhr dreht sich bei Hubertus Meyer-Burkhard alles um Frauengeschichten und was er von ihnen gelernt hat.

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