Sprungziele
Inhalt
Datum: 29.12.2020

Die Dommusik übernimmt das »aufgeweckte« Schloss

Mehrmals wurde die Übergabe verschoben, nun steht der Termin. Zum 1. Januar 2021  mietet das Bistum große Teile des sanierten Limburger Schlosses. Die Fläche von rund 600 Quadratmetern verteilt sich auf den Renaissance- sowie den Kapellenbau und schließt auch den Saalbau mit ein.

Die Dommusik, die bereits seit längerem im Schloss zu Hause ist, wird die Räume nutzen. Eine offizielle Übergabe mit netten Worten, Wünschen und mehr fällt aus, das passt nicht in die durch die Corona-Pandemie geprägte Zeit. „Wir übergeben ein historisches Gebäude, das nach der Sanierung modernen technischen Anforderungen genügt“, sagt der 1. Stadtrat Michael Stanke. Doch das Wort Sanierung ist eigentlich ein zu technischer und neutraler Begriff. Das Schlossinnere hat sich gemacht, ist herausgeputzt, geradezu aufgeweckt für neues Leben. Nicht zu vergleichen mit der rein auf Funktionalität aufgebauten Raumstruktur, die dem Gebäude vor allem in den letzten 50 bis 60 Jahren verpasst worden war.

Froh über den Mietvertrag zeigt sich auch Bürgermeister Dr. Marius Hahn: „Wir haben in den vergangenen Jahren sehr viel Geld in das Schloss, seine Erhaltung und Restaurierung investiert. Es ist schön, dass es nun wieder genutzt wird und wir mit dem Bistum einen Mieter gefunden haben, der schon seit Jahren in dem Schloss ein und aus geht.“ In dem Schloss befand sich in der Vergangenheit schon einmal das Diözesanmuseum und seit 1970 wird es vom Domchor und später noch von weiteren musikalischen Einrichtungen des Bistums genutzt.

Sonderführung für Altstadtführer und Schlossverein

Die Limburger Altstadtführerinnen und Altstadtführer sowie Mitglieder des Schlossvereins durften sich davon im Oktober überzeugen, denn für sie gab es eine Art Sonderführung durch das neue, alte Schloss. Die Architekten Axel und Thomas Schmitt, die die Sanierung begleiteten, sowie Markus Saal, in der Stadtverwaltung zuständig für den Denkmalschutz, erläuterten dabei die Vielzahl von begleitenden Untersuchungen, stellten die verschiedene Räume und ihre künftige Funktion vor und gaben Einblick in eine Vielzahl von Aspekten, die bei den Arbeiten zu beachten waren.

Einen überaus stimmigen und beeindruckenden Gesamteindruck hinterließ das Gebäude bei den Besucherinnen und Besuchern. Die handwerklich hervorragend gearbeiteten Kassettenfenster gehören dazu, die zum einen historische Formen und Dimensionen aufnehmen, zum anderen aber auch mit ihren Doppelfenstern dem Wärmschutz Rechnung tragen. Die Holzfußböden verleihen allen Räumen einen besonderen gediegenen Eindruck. Verstärkt wird dies durch die umlaufenden Fußbodenleisten, die nicht nur zu gestaltenden Elementen werden, sondern gleichzeitig Versorgungsleitungen verbergen.

Spuren früherer Wandgestaltung

Das Gebäude atmet natürlich Geschichte. Das wird beim Gang durch die Räume sichtbar. Im sogenannten Kaminzimmer gibt es herausgearbeitete Spuren auf frühe, vielleicht sogar bauzeitliche Wandgestaltungen. In einem anderen Raum hingegen sind die historischen Spuren nicht herausgearbeitet, sondern durch eine Vorwand geschützt. „Was wir an der Wand an Befunden haben, ist alles dokumentiert. Aber dies alles herauszuarbeiten wäre mit einem nicht zu rechtfertigenden Aufwand verbunden gewesen. Sollte dies in Zukunft jedoch einmal anders gesehen werden, dann kann die Vorwand entfernt werden“, macht Markus Saal deutlich.

In der langen Geschichte mit vielfältiger Nutzung hat es zahlreiche bauliche Veränderungen gegeben. Teilweise wurden diese Eingriffe zurückgenommen. „Wir haben viel Stahl entfernt, Oberlichter an Fenstern wurden wieder sichtbar und wir haben teilweise alte Raumstrukturen wiederhergestellt“, erklärt Saal. An einigen wenigen Stellen befinden sich jedoch noch Stahlkonstruktionen, die, obwohl sichtbar, sich durchaus in ein harmonisches Bild einpassen.

Neues und Altes

Werden historische Gebäude für moderne Ansprüche ertüchtigt, dann bleibt es nicht aus, dass sich Neues und Altes begegnen. Natürlich gibt es ein modernes Heizsystem, was an zahlreichen Heizkörpern deutlich wird. Gleichzeitig gibt es in einigen Räumen auch Wandheizungen, die nicht sichtbar sind. Dass die Räume alle über moderne Kommunikationstechnik verbunden sind, davon ist fast nichts zu sehen, hier und da taucht einmal ein Verteilerschrank auf, aber das fällt nicht so sehr ins Gewicht.

Manchmal gibt es auch Begegnungen von neu und alt, die bewusst ins Auge fallen. Im Kaminzimmer zum Beispiel, wo die historischen Wandfassungen zu sehen sind, ein offener Kamin mit einer Fassung aus Marmor die Blicke auf sich zieht und ein moderner Ring mit einem Durchmesser von 3,5 Meter an der Decke als Lichtquelle dient. Eine auffallende Lösung, die gleichzeitig aber den Blick zur Decke ermöglicht. Weniger auffällig ist das neue Treppenhaus. Eine moderne und schlichte Konstruktion aus Stahl, versehen mit Auftritten aus Eiche. Die alte Treppe war nicht mehr zu halten. Die neue Konstruktion ist breiter und bietet mehr Platz, zudem wird durch die neue offene Gestaltung der Treppenraum deutlich besser mit Licht durchflutet.

Schloss diente lange als Schule

Und manchmal gibt es einfach auch ein paar nette Spielereien. Die Toiletten sind dafür ein Beispiel. Die Türen erinnern an die Vergangenheit des Schlosses, das lange Zeit als Schule diente. Die Türchen sind noch mit Drehschlössern ausgestattet: „Besetzt“ und „Frei“ ist darauf zu lesen.

Mit der Sanierung des Schlosses wurde im Jahr 2009 begonnen, zunächst standen dabei Sicherungsarbeiten im Vordergrund; anschließend sind Fassade, Dächer und mehr in Angriff genommen worden. Die Arbeiten im Innenbereich begannen im Jahr 2017. Rund 2,5 Millionen Euro standen dafür zur Verfügung. Die Arbeiten im Komplex Schloss sind noch nicht abgeschlossen. Als nächstes ist die Scheune an der Reihe, die Sanierung des Daches ist für 2021 vorgesehen, die Hofgestaltung ist dann in dem darauffolgenden Jahr geplant. Parallel dazu soll die Scheune für das Stadtarchiv zur Verfügung gestellt werden. Insgesamt sind derzeit Kosten in Höhe von rund 2,27 Millionen Euro kalkuliert. Als letzter Bauabschnitt sollen dann die Räumlichkeiten im Erdgeschoss von Renaissancebau, Wohnturm und Kapellenbau für eine stadthistorische Ausstellung hergerichtet werden.

Multifunktionale Nutzung

Multifunktional, so lässt sich die Nutzung des Schlosses während seiner langen Geschichte beschreiben: Im 10. Jahrhundert Burg und Herrschaftssitz der Konradiner, anschließend Residenz der Isenburger, Verwaltungssitz des Kurfürstentums Trier, 1802 Übernahme durch Nassau-Weilburg (später Herzogtum Nassau), Auflösung des Stifts im Jahr 1803, 1866 wird Preußen Besitzer des Schlosses, Nutzung als Schule von 1883 bis 1963 und als Diözesanmusem von 1905 bis 1976 (Turm und angrenzende Räume), das Land Hessen wird 1945 Eigentümer des Schlosses, von 1953 bis 1963 finden dort Aufführungen der Spielschar des Gymnasiums statt, von 1967 bis 1973 Standort des Jugendclubs „Black-Out“, 1970 Einzug des Domchors, später der Domsingknaben und der Mädchenkantorei, Sitz der Mährisch-Neustädter-Heimatstube, der italienischen Gemeinde (1972) und der portugiesischen Gemeinde (1975), 1974 Einzug des Hessischen Landesinstituts für Pädagogik, Regionalstelle Limburg, Errichtung des Stadtarchivs (1977) und Übernahme des Schlosses durch die Stadt Limburg (2000).

Impressionen aus dem Schloss

Partner