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Datum: 08.06.2021

Land schlägt Fahrverbot vor, Landkreis und Stadt lehnen ab

Das Land Hessen hat der Stadt Limburg nun einen Vorentwurf für die zweite Fortschreibung des Luftreinhalteplans zur Stellungnahme vorgelegt. Darin wird ein Fahrverbot vorgeschlagen, der Schiedetunnel könnte damit unter anderem von älteren Dieselfahrzeugen nicht genutzt werden. Stadt und Landkreis widersprechen und haben dazu auch gemeinsam an die Ministerin Priska Hinz und Minister Tarek Al-Wazir geschrieben.

In dem Vorentwurf des Ministeriums für Umwelt, Klimaschutz, Landwirtschaft und Verbraucherschutz wird ein Fahrverbot auf der B8 zwischen den Knotenpunkten Schiede/Diezer Straße und Frankfurter Straße/Wiesbadener Straße vorgeschlagen. Betroffen davon wären Dieselfahrzeuge bis einschließlich Euronorm 5, Fahrzeuge mit Ottomotoren bis einschließlich Euronorm 2 sowie schwere Nutzfahrzeuge und Reisebusse mit Dieselmotoren bis einschließlich Euronorm 5. Für alle diese Fahrzeuge wäre damit eine Durchfahrt durch den Schiedetunnel nicht mehr möglich.

In einer gemeinsamen Stellungnahme an Umweltministerin Priska Hinz sowie Wirtschafts- und Verkehrsminister Tarek Al-Wazir lehnen Landrat Michael Köberle, Bürgermeister Dr. Marius Hahn und 1. Stadtrat Michael Stanke das Fahrverbot auf einer vierspurigen Bundessstraße ab. Das Fahrverbot, so die einhellige Auffassung, führt zu einer Verlagerung des Verkehrs auf die angrenzenden Wohn- und Anliegerstraßen. Die Verkehrsbelastung in der Grabenstraße, Gartenstraße, der Johann-Boppe-Straße oder auch auf der Blumenröder Straße werde sich durch ein Fahrverbot deutlich erhöhen.

Blick auf komplette Innenstadt

„Nun alles auf einen Hotspot auszurichten, an dem der Grenzwert für Stickstoffdioxid nicht eingehalten wird, kann nicht in unserem Sinne sein“, macht der 1. Stadtrat Michael Stanke deutlich. Aktuell wird der Grenzwert von 40 Mikrogramm Stickstoffdioxid pro Kubikmeter Luft (µg/m³) noch an einem Passivsammler an der Schiede überschritten. Die Bestrebungen der Luftreinhalteplanung, schnellstmöglich zu einer Einhaltung der vorgeschriebenen Grenzwerte zu kommen, sei vollkommen verständlich und nachvollziehbar. „Wir schauen jedoch nicht nur auf den einen Hotspot, sondern haben die komplette Innenstadt einschließlich der Nebenstraßen vor Augen“, betont Stanke.

„Bei einem Fahrverbot wird es auf diesen Nebenstraßen jedoch zu einer deutlichen Zunahme an Verkehr kommen“, ist der Bürgermeister überzeugt. In dem Nadelöhr Limburg mit seinen stark frequentierten Hauptverkehrsachsen (alles Bundesstraßen) und einem Verkehrsaufkommen von rund 37.000 Kfz am Knotenpunkt Schiede/Diezer Straße ist bei einem streckenbezogenen Fahrverbot eine Verlagerung des Verkehrs auf das umgebende Straßennetz einfach nicht möglich. „Das ist ein großer Unterschied zu Großstädten, die ebenfalls eine hohe Schadstoffbelastung aufweisen“, macht Hahn deutlich.

Belastung der Ausweichstrecken

Als Ausweichstrecken stehen der Eschhöfer Weg, die Grabenstraße, die Dr.-Wolff-Straße sowie die Frankfurter Straße und die Hospitalstraße zur Verfügung, in der Südstadt wären die Gartenstraße, die Johann-Boppe-Straße sowie die Blumenröder Straße besonders betroffen, was zu einer deutlichen Mehrbelastung der dort wohnen Bevölkerung führend werden und zudem zu einer höheren Gefährdung, da die Straßen alle zu Schulen führen. In der Innenstadt komme es zu Belastungen, die selbst nach Ansicht von Gutachtern städtebaulich unverträglich sind. „Die Umsetzung eines Luftreinhalteplans mit solch gravierenden negativen Auswirkungen auf die Innenstadt, deren Bewohner, den dortigen Einzelhandel sowie auch für die Verkehrssicherheit für Fußgänger und Radführer müssen wir ablehnen“, verdeutlicht der Bürgermeister.

Sowohl Hahn und Stanke räumen ein, dass die bisher umgesetzten Maßnahmen in der Stadt (E-Mobilität in vielfältigen Facetten, Ausbau Radverkehrsnetz, Verbesserung des Verkehrsflusses und mehr) bisher nicht an allen Messpunkten dazu geführt haben, den Grenzwert zu unterschreiten. Aber die Stadt sei auf dem Weg, weitere Projekte mit teilweise erheblichem zeitlichen Vorlauf umzusetzen (Zuflussdosierung in der Peripherie, Radverkehrsförderung, City-Logistik, on-demand-Verkehr als Nachfolger des Anrufsammeltaxis), die ebenfalls ihren Anteil an den Verbesserungen beitragen werden.

Keine Strategie erkennbar

„Als Landkreis und Stadt vermissen wir eine klare Strategie in dem vorliegenden Entwurf im Sinne einer nachhaltigen Verkehrswende“, heißt es in dem gemeinsamen Schreiben aus dem Landratsamt und dem Rathaus. „Das Gegenteil ist sogar der Fall. Uns werden im Zuge des Luftreinhalteplans nunmehr durch die hessischen Ministerien zentrale Bausteine des Masterplans Mobilität abgelehnt, die zu einer echten Verkehrswende in der Innenstadt und damit zu einer deutlichen Reduzierung des motorisierten Individualverkehrs führen würden“, verdeutlicht Bürgermeister Dr. Marius Hahn.

Auch perspektivisch sieht der 1. Stadtrat bei einer Umsetzung des Vorentwurfs des Luftreinhalteplans erhebliche Nachteile für die Stadt: „Wir haben uns mit dem Masterplan Mobilität, mit großer Mehrheit von der Stadtpolitik beschlossen, die Aufgabe eines Konzepts zur Innenstadtführung gegeben. Das ist von der Verwaltung weiterentwickelt worden und soll stufenweise in den nächsten Jahren umgesetzt werden.“ Komme es jedoch zu einem Fahrverbot und damit zu einer stärkeren Belastung der Nebenstrecken, dann sei eine Umsetzung nach dem Willen der beiden Ministerien nicht möglich. Das Konzept zur Innenstadtführung sieht unter anderem eine neue Parkraumbewirtschaftung vor, stärkt den Radverkehr, will Räume für die CityLogistik schaffen und einiges mehr. „Bei einer Umsetzung dieser Maßnahmen befürchten die Ministerien eine Rückverlagerung von Verkehr auf den Hotspot Schiede, deshalb lehnen sie dies ab“, so Stanke.

Flankierende Maßnahmen

In dem gemeinsamen Schreiben verdeutlichen der Landkreis als Straßenverkehrsbehörde sowie die Stadt, dass ein mögliches Fahrverbot, sollte die Anordnung erzwungen werden, mit Maßnahme flankiert werde, um die Auswirkungen zu minimieren. Zu den flankierenden Maßnahmen gehören ein Lkw-Durchfahrtsverbot in der Grabenstraße (Anlieferer ausgenommen), Tempo 20 auf verschiedenen Straßen, Ausbau von bestehenden Fahrradschutzstreifen zu Radfahrstreifen, Einrichtung von Ladezonen, Verlängerung der Rotphase an der Ampel Eschhöfer Weg zur Grabenstraße, Reduzierung der Frankfurter Straße um eine Fahrspur bis zum Abzweig Eisenbahnstraße vor dem Schiedetunnel zugunsten eines Radfahrstreifens sowie stadtauswärts bis zum Pallottiner-Kloster und mehr.

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