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Als Limburg Opfer einer Pandemie wurde

Die Corona-Pandemie hält in Atem, lähmt das öffentliche Leben, löst Ängste aus und führt auch zum Tod. Die Menschheit ist immer wieder durch Pandemien heimgesucht worden. Eine der schlimmsten in der Geschichte traf Europa zwischen 1347 und 1353. In manchen Regionen starb bis zu einem Drittel der Bevölkerung (zum Vergleich: im Zweiten Weltkrieg kamen etwa fünf Prozent der europäischen Bevölkerung ums Leben). Der Limburger Stadtarchivar Dr. Christoph Waldecker hat sich auf die Spuren dieser Pandemie in Limburg begeben.

Es handelte sich um den „Schwarzen Tod“, die Pest – mitunter wird auch vermutet, es habe sich um Ebola gehandelt. Auch Limburg und die Region waren von der Krankheit betroffen. Ausführlich schildert Tilemann Elhen von Wolfhagen in der „Limburger Chronik“ die Vorgänge: „Da man schrieb das Jahr 1349, da kam ein großes Sterben in die deutschen Lande … Und sie starben an den Drüsen, und wen das anging, der starb gewöhnlich am dritten Tag. Und starben die Leute in den großen Städten zu Mainz, zu Köln und anderen meist alle Tage mehr denn hundert Menschen oder entsprechend, und in den kleineren Städten wie Limburg starben alle Tage zwanzig oder vierundzwanzig oder dreißig, also in der Weise. … Und starben zu Limburg mehr den vierundzwanzighundert Menschen, ausgenommen Kinder.“ Die Zahlen in einem mittelalterlichen Text sind nicht wörtlich zu nehmen. Der Autor drückt so aus: es waren unermesslich viele.

Buße tun

Den Menschen des Spätmittelalters gelang es noch nicht, Ursache und Wirkung zu erkennen. Gemäß ihrer Gedankenwelt hielten sie die Krankheit zunächst für eine Strafe Gottes als Folge ihres sündigen Lebens. Dies bedeutete, man musste Buße tun. Am drastischsten taten dies die Geißler oder auch Flagellanten. Es handelte sich dabei um größere Gruppen, die im Büßergewand und mit Peitschen von Stadt zu Stadt zogen. Vor den Kirchen machte sie ihre Oberkörper frei und fingen an, sich selbst und auch gegenseitig auszupeitschen. Dies zog viele neugierige Zuschauer an, die dann im Anschluss oft mehrere der Geißler zu sich einluden und sie bewirteten. Tilemann beschreibt die Vorgänge sehr ausführlich. Vermutlich hatte sich so etwas auch in Limburg abgespielt. 

Die Kirche verurteilte diese Form der Bußübungen. Sie sollten sich davor hüten, „solche Dinge anzugehen ohne den Rat der heiligen Kirche“, schreibt Tilemann. Natürlich halfen diese sehr drastischen Bußen nichts, im Gegenteil, die umherziehenden Gruppen trugen eher dazu bei, den Erreger zu verbreiten. So wurde weiter nach den „Ursachen“ gefragt – und das mit tragischem Ergebnis: die Juden wurden verantwortlich gemacht. Der Vorwurf lautete auf Brunnenvergiftung. Als Außenseiter in der mittelalterlichen Gesellschaft hatten sie nur geringe Möglichkeiten, sich gegen die Anschuldigungen zu wehren. Es kam zu brutalen Pogromen, vermutlich auch in Limburg (Tilemann übergeht das verschämt). Auch dagegen versuchte die Kirche anzugehen, doch der Druck der Bevölkerung war stärker. An vielen Orten kam es zu Massenmorden, oft wurden Juden in Holzhäusern zusammengetrieben, die dann angezündet wurden. Dafür wurde der Begriff „Holocaust“ verwendet.

Größere soziale Mobilität

Der „Schwarze Tod“ wütete bis 1351 in Limburg und der Region. Als das Sterben endete, „da hob die Welt wieder an zu leben und fröhlich zu sein,“ schrieb der Chronist. Es sollte nicht die letzte Epidemie sein, aber die nachfolgenden nahmen nicht mehr derartige Ausmaße an.

Eine Folge der Pandemie war eine größere soziale Mobilität. Durch den Tod eines Drittels der Bevölkerung war viel Eigentum neu zu verteilen, manche konnten nun sozial und wirtschaftlich aufsteigen. Wenig rentable landwirtschaftliche Gebiete wurden aufgegeben, darunter viele früh- und hochmittelalterliche Rodungen. Fehlende Arbeitskräfte führten zu höheren Löhnen, aber auch zu technischen Innovationen. Der Buchdruck ist dafür nur ein Beispiel.

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