Ein besonderer Tag unter dem irischen Hochkreuz
Es gibt die besonderen Tage. Der 25. Mai 1917 war ein besonderer Tag für die irischen Soldaten im Kriegsgefangenenlager in Dietkirchen, denn an diesem Tag wurde dort das irische Hochkreuz aufgestellt. Der 25. Mai 2023 war ein besonderer Tag für Frauen und Männer aus dem irischen Kilkenny, die vor dem Kreuz standen, für das Pater Thomas Crotty Spenden gesammelt hatte.
Thomas Crotty war vom Vatikan in das Lager gesandt worden, um dort die irischen Gefangenen seelsorgerisch zu betreuen. In seiner Zeit in Dietkirchen schrieb der Dominikanerpater oft Briefe an seinen Bruder in Kilkenny und schilderte die Situation der in Gefangenschaft geratenen Soldaten. „Diese Briefe meines Urgroßonkels haben dazu geführt, dass unsere Familie politisch sehr aktiv wurde. Es war die Angst um die Söhne, dass sie in den Krieg mussten“, erzählte David Fitzgerald, Bürgermeister von Kilkenny. Er führte eine Delegation von 30 Besucherinnen und Besuchern an, alles Nachkommen von Thomas Crottys Schwestern und Brüdern.
Unter dem Hochkreuz feierten die Besucherinnen und Besucher mit ihren Gastgebern aus Dietkirchen und Limburg einen Gottesdienst, den Marvin Diewock auf dem Dudelsack musikalisch begleitete. Neben Pfarrer Walter Henkes zelebrierte Terance Crotty den Gottesdienst. Er hatte dazu einen besonderen Kelch mit nach Dietkirchen gebracht. „Es ist ein Kelch, der im Gefangenlager von meinem Urgroßonkel genutzt wurde“, wies er auf die Besonderheit hin.
Der neue Krieg
„Es hätte gereicht mit dem 1. und 2. Weltkrieg, doch hier wir haben wieder Krieg in Europa“, wies Pfarrer Walter Henkes auf die aktuelle Situation hin. Dass es auch ganz anders geht, die Nachfahren ehemaliger Kriegsgegner nun zusammenstehen, zeige sich gerade auf dem Gefangenenfriedhof in Dietkirchen, wo Deutsche und Iren gemeinsam Gottesdienst feierten und sich an eine Zeit erinnerten, in denen die Vorfahren gegeneinander in den Krieg zogen.
„Es ist ein sehr emotionaler Moment, hier unter dem Hochkreuz zu stehen, auf den Tag genau 106 Jahre nach seiner Einweihung und mit Frauen und Männer der Familie Crotty“, machte Limburgs Bürgermeister Dr. Marius Hahn deutlich. Es sei ein Zeichen des Friedens, das von dieser Zusammenkunft in Dietkirchen ausgehe und er wünsche sich, dass der russische Präsident Wladimir Putin und der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyi an der Feier teilnehmen würden, anstatt Krieg zu führen.
Auswirkungen in Irland
Die irischen Soldaten kämpften im 1. Weltkrieg noch für England beziehungsweise das Vereinigte Königreich Großbritannien. Die Befürchtung in den Jahren des Krieges war auf irischer Seite groß, nicht nur in diesem Krieg, sondern noch in weiteren Kriegen Soldaten für das Vereinigte Königreich und die Engländer stellen zu müssen. „Das war schon eine sehr spezielle Situation“, blickte David Fitzgerald zurück. Die Iren kämpften dabei für und mit einem Land, dass ihre eigene Heimat in einem eisernen Griff hielt.
Auch Pater Thomas Crotty und sein Bruder in Irland waren irisch national eingestellt und unterstützten alle Bestrebungen, sich von der englischen Fremdherrschaft zu befreien, schilderte David Fitzgerald die Situation in seiner Familie. Der irische Unabhängigkeitskrieg begann wenige Wochen nach dem Ende des Weltkriegs im Januar 1919, zuvor hatten die Engländer erfolglos versucht, die irischen Männer per Wehrpflicht zum Dienst an der Waffe zu verpflichten.
Das Hochkreuz auf dem Gefangenenfriedhof in Dietkirchen ist für David Fitzgerald jedoch nicht nur ein wichtiger Bestandteil der Familiengeschichte, sondern ist für ihn eine Aufforderung an alle, den Krieg, die damit verbundenen Schrecken und das dadurch hervorgerufene Leid nicht zu vergessen und sich an die zu erinnern, die dem Krieg zum Opfer gefallen sind. In Dietkirchen waren rund 2000 irische Kriegsgefangene untergebracht, das Hochkreuz erinnert mit Inschriften an 53 irische Soldaten.
Aktivitäten für das Kreuz
Bernhard Eufinger, langjähriger Ortsvorsteher von Dietkirchen, stellte den Gästen aus Irland die verschiedenen Aktivitäten aus den vergangenen Jahren vor, um das Hochkreuz, drei Meter hoch und im Kreuz eine Breite von 1,60 Meter aufweisend, dauerhaft zu sichern. Ganz wichtig war dabei die umfassende Restaurierung im Jahr 2007, da der Sandstein doch erhebliche Schäden aufwies. Um die notwendigen Gelder aufzubringen, wurde in Dietkirchen das Celtic Cross Festival veranstaltet, gab es ein Konzert mit dem Heeresmusikkorps 300 und schließlich ging auch noch eine Spende des Freundeskreises „Friends of Celtic Cross“ aus Irland ein. Untersuchungen des Kreuzes sind nach Angaben von Eufinger in regelmäßigen Abständen notwendig, um Schäden frühzeitig zu entdecken und beseitigen zu können.
Ortsvorsteher Markus Wirth wies die Gäste aus Irland drauf hin, dass nicht nur das Hochkreuz auf dem Friedhof an irische Kriegsgefangene erinnert. In Dietkirchen ist auch eine Straße nach einem irischen Kriegsgefangenen benannt. Fredrick Reilly starb am 20. Dezember 1914 als erster irischer Kriegsgefangener in dem Lager, das sich auf eine Fläche von 24 Hektar erstreckte. Dort waren bis zu 12.000 Soldaten untergebracht, darunter russische, französische, italienische und britische.
Auf dem Friedhof wurden im Verlauf des 1. Weltkriegs über 600 verstorbene Gefangene beerdigt, im 2. Weltkrieg kamen weitere 247 russische Kriegsgefangene hinzu. Bis auf die verstorbenen russischen Soldaten sind die sterblichen Überreste der übrigen Verstorbenen schon 1923 in ihre Heimat oder auf größere Kriegsgräberstätten in Deutschland überführt worden.
Idee zum Besuch
Initiiert hatte den Besuch aus Irland Rosaleen Crotty, die im vergangenen Jahr Limburg besucht hatte und dabei auch auf dem Gefangenenfriedhof war. Ihrer Verwandtschaft berichtete sie nach dem Besuch von dem gepflegten Zustand des Friedhofs, der wesentlich auch dem Einsatz der Stadtgärtnerei zu verdanken ist. Die Idee zu einem Besuch am 25. Mai 2023 wurde geboren und mit Hilfe von Astrid Siegel von der Stadtverwaltung auch in die Tat umgesetzt.
Im Anschluss an den Gottesdienst und den Aufenthalt auf dem Friedhof waren die Gäste aus Irland noch zu einem Empfang im Stadthaus eingeladen. Bürgermeister Dr. Marius Hahn stellte dabei die Stadt Limburg kurz vor und überreichte ein kleines Geschenk an seinen Amtskollegen David Fitzgerald aus Kilkenny, der sich zusammen mit den übrigen Reiseteilnehmerinnen und -teilnehmern noch im Gästebuch der Stadt verewigte.