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Datum: 21.06.2022

Verkehrsversuch auf der alten Brücke geplant: Ein Jahr Einbahnstraße

Die alte Lahnbrücke soll nach ihrer aktuell laufenden Sanierung in einem Verkehrsversuch für ein Jahr zur Einbahnstraße werden. Das sieht eine verkehrsbehördliche Maßnahme der Straßenverkehrsbehörde vor. Nach der Straßenverkehrsordnung ist die zuständige Behörde in Gemeinden mit bis zu 50.000 Einwohnern der Bürgermeister als örtliche Ordnungsbehörde. Die Ordnungsbehörde kann Verkehrsbeschränkungen und -verbote anordnen. Der Magistrat hat dieses Vorhaben zur Kenntnis genommen und leitet es an die Stadtverordnetenversammlung weiter, die am 18. Juli tagt.
„Derzeit steht die Brücke dem Kraftfahrzeugverkehr nicht zur Verfügung, während der Sanierung ist sie passierbar für Menschen, die zu Fuß gehen und ihre Fahrräder schieben. Nach der abgeschlossenen Sanierung erscheint es uns der richtige Zeitpunkt zu sein, eine mögliche neue Verkehrsführung auf der Brücke über einen Zeitraum von einem Jahr intensiv auf Herz und Nieren zu testen“, macht Bürgermeister Dr. Marius Hahn deutlich. Testen heißt, es gibt eine Einbahnstraßenregelung für den Kraftfahrzeugverkehr. Wer mit seinem Auto, Motorrad in die Stadt will, kann die alte Brücke nutzen. Wer die Stadt verlassen will, muss den Weg über die Lichfield-Brücke oder andere Wege nehmen.

Umfassende Erkenntnisse erwartet

„Wir wollen umfassende Erkenntnisse über einen Zeitraum eines ganzen Jahres gewinnen, also dabei auch die saisonalen Unterschiede wie Weihnachtsverkehr oder die Schulferien erfassen. Begleitet wird der Verkehrsversuch durch einen externen Gutachter und natürlich werden die Ergebnisse im Anschluss auch den Gremien vorgelegt“, verdeutlicht der 1. Stadtrat Michael Stanke. Bereits im Zeitraum September/Oktober 2017 war die alte Lahnbrücke versuchsweise schon einmal Einbahnstraße, allerdings nur für sechs Wochen.

Die begleitenden Zählungen in dieser Versuchsphase machten deutlich, dass ein Einrichtungsverkehr ohne eine Überlastung anderer Knotenpunkte im Stadtgebiet möglich ist. Der Knotenpunkt Westerwaldstraße/Weilburger Straße und Seilerbahn wurde in der Versuchsphase deutlich entlastet. Auf dem Weg aus der Stadt heraus ist der Weg über die Lichfield-Brücke und die Anbindung über die Konrad-Kurzbold-Straße für viele kein Umweg. Stadtauswärts wird die Lichfield-Brücke heute schon deutlich stärker genutzt als auf dem Weg in die Stadt. Der neue Verkehrsversuch wird die umliegenden Knotenpunkte vor und nach der Brücke noch einmal intensiv in den Blick nehmen und dabei auch deren komplexen Verkehrsbeziehungen untersuchen.

Verkehrsraum neu verteilen

„Mit der aktuellen Sanierung der Brücke ist auch eine Neuaufteilung des Verkehrsraums verbunden. Das ist notwendig, um dem gestiegenen und weiter steigenden Aufkommen von Radfahrenden Rechnung zu tragen und zudem den Fußgängerinnen und Fußgängern auf der Brücke mehr Platz zu geben“, macht der Bürgermeister deutlich. Bisher bestanden auf der Brücke keine Angebote für die Radfahrenden, die ihr Gefährt entweder auf den schmalen Bürgersteigen schieben mussten oder fahrend den Weg über die Fahrbahn nehmen mussten, mit recht hohen Bürgersteigen entlang der Fahrbahn. Und natürlich wurden auch die Gehwege zum Radfahren genutzt, was verboten ist.

Auch für die Fußgängerinnen und Fußgänger ist das Platzangebot auf der alten Lahnbrücke recht beengt. 1,50 Meter sind die beiden Gehwege breit. Die geringe Breite mit fehlender Barrierefreiheit und gleichzeitiger starker Benutzung sind ein Mangel in der Infrastruktur. Im Zuge des schulischen Mobilitätsmanagements wurde die alte Lahnbrücke bereits mehrfach als nicht sicherer Schulweg kritisiert und thematisiert. Die Neugestaltung des Verkehrsraums auf der Brücke im Rahmen der Sanierung wird zu besseren Bedingungen für die Fußgängerinnen und Fußgänger führen.

Verbesserungen für ÖPNV

Eine mögliche Einbahnstraßenregelung führt nach Einschätzung von Michael Stanke, als 1. Stadtrat zugleich auch Betriebsleiter der Stadtlinie, zu besseren Bedingungen für den öffentlichen Nahverkehr. Für die Linien der Stadtlinie, die im 30-Minuten-Takt und im 60-Minuten-Takt die Brücke zum Queren der Lahn nutzen (hinzu kommen noch Busse der Regionallinien LM 41 und LM 12) werde sich die Staugefahr verringern, die Busse würden somit zuverlässiger und pünktlicher unterwegs sein. Die Busse des ÖPNV dürfen während des Verkehrsversuchs weiterhin in beide Richtungen die Brücke nutzen. Um einen Begegnungsverkehr auf der Brücke zu vermeiden, soll es in der Konrad-Kurzbold-Straße eine Ampel vor der Brücke geben.

Schon beim zeitlich sehr begrenzten Verkehrsversuch 2017 gab es die Klage, dass die Einbahnstraßenregelung auf der alten Lahnbrücke für den motorisierten Individualverkehr zu spürbaren Nachteilen führen werde. „Dabei wird in der Regel die Bedeutung der Brücke für den stadtauswärts fahrenden Verkehr überschätzt“, macht Bürgermeister Dr. Marius Hahn deutlich. Nach der Verkehrszählung 2017 nutzten 6000 Fahrzeuge pro Tag die Brücke für den Weg in die Stadt, nur 3500 waren in die umgekehrte Richtung unterwegs. Die Zahlen sind durch eine Zählung der Verkehrsbelastung in den Spitzenstunden im November vergangenen Jahres bestätigt worden.

Mit einer Einbahnstraßenregelung gibt es einen regelmäßigen Verkehrsfluss in die Stadt für alle Verkehrsteilnehmenden, der nur dann angehalten wird, wenn ein Bus die Brücke in Richtung Westerwaldstraße fahren will. Die Fahrzeiten gegenüber dem aktuellen Zustand werden aufgrund des besseren Verkehrsflusses deutlich verkürzt. In Gegenrichtung steht dem Verkehr mit einer in Richtung Westerwaldstraße gesperrten alten Lahnbrücke die Lichfield-Brücke zur Verfügung.

Die Fahrzeiten über die Lichfield-Brücke sind nur unwesentlich länger und der Weg aus der Stadt heraus mit Zufluss aus der Konrad-Kurzbold-Straße ist leistungsfähig genug, um das Mehr an Verkehr aufzunehmen. Für die Ziele in der Seilerbahn und im Schleusenweg allerdings verlängert sich der Weg aus der Stadt heraus, sofern ein Kfz genutzt wird. Der Umweg über die Lichfield-Brücke beträgt rund 800 Meter. Beim Verlassen der Stadt dürfte sich die Fahrzeit trotz des längeren Weges für Pkws nicht erhöhen, da das mehrfache Halten auf der alten Lahnbrücke entfällt.

Teil der Verkehrswende

Die Lichtsignalsteuerung für die Einbahnstraßenregelung wird auch so vorgenommen, dass bei Bedarf die Öffnung in beide Fahrtrichtungen möglich ist. Dies könnte beispielsweise während der Bauphase des Ersatzneubaus der Lichfield-Brücke der Fall sein.

„Mit dem Nadelöhr Brückenturm lässt sich ein störungsfreier Zwei-Richtungsverkehr auf der alten Brücke nicht umsetzen. Wir tun gut daran, auf dem alten Bauwerk und bei diesem wichtigen Übergang über die Lahn denen mehr Platz einzuräumen, die bisher wenig berücksichtigt wurden“, wirbt der Bürgermeister für ein neues Denken. Der Masterplan Mobilität, der mit großer Mehrheit der Stadtverordnetenversammlung mit dem Ziel einer Verkehrswende 2018 verabschiedet worden ist, sieht die Einbahnstraßenregelung als ein Schlüsselprojekt zur Stärkung der Nahmobilität in der Innenstadt.

Auch im derzeit in der Beratung befindlichem Radverkehrskonzept ist die alte Lahnbrücke als Einbahnstraße eine wichtige Maßnahme zur Stärkung sowohl des Alltags- als auch des Freizeitradverkehrs. Mit der Einrichtung der Einbahnstraße könnten die überregionalen Radwege R7, R8 und Radweg Deutsche Einheit auf die alte Lahnbrücke und die Konrad-Kurzbold-Straße umverlegt werden, um die Fahrradtouristen noch stärker in die Innenstadt zu lenken.

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